Attraktive Städte denken an Kinder

April 2025

Ein Gespräch mit Petra Marko, Direktorin des Metropolitan Institute of Bratislava (MIB)

Stellen wir uns eine Stadt vor, in der Kinder nicht nur geduldet, sondern willkommen sind. Eine Stadt, in der sich ihre Rechte im Pflaster der Straßen, in der Weite der Plätze und in der Gestaltung unserer Wege widerspiegeln. Petra Marko, Architektin und Stadtgestalterin, weiß, dass solche Visionen Wirklichkeit werden können. Nach Jahren in London ist sie zurück in ihrer Geburtsstadt Bratislava, um an genau solchen Räumen zu arbeiten – als Direktorin des MIB.

Petra, das Metropolitan Institute of Bratislava wurde 2019 gegründet. Welche Themen sprechen Sie in der Stadt an und fördern Sie?

Das Metropolitan Institute wurde als konzeptionelle Denkfabrik für Bratislava ins Leben gerufen. Es vereint Architektur, öffentlichen Raum, Stadtplanung und Partizipation unter einem Dach. Wir stellen uns die Frage: "Welche Art von Stadt wollen wir?" Und wir beantworten sie nicht nur mit Plänen, sondern auch durch konkrete Projekte und echte Beteiligung. Unser Ziel ist es, die Lebensqualität zu verbessern, mit strategischer Planung und Lösungen, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden. Dabei bauen wir auf das, was alle großartigen Städte auszeichnet: aktive Gemeinschaften und eine enge Beziehung zum Raum.

Was sind die größten Herausforderungen, mit denen der öffentliche Raum in Bratislava konfrontiert ist?

Bratislava musste lange Zeit mit vernachlässigten Räumen leben. Es fehlte nicht nur an Investitionen, sondern auch an mutigen Konzepten und einem verbindenden Vertrauen zwischen Öffentlichkeit, Stadtverwaltung und Investoren. Nach der politischen Wende entwickelte sich vieles ohne klare Werte oder Prinzipien. Gleichzeitig stieg mit dem Lebensstandard auch die Zahl der Autos, die die Stadt immer weiter zerschnitten haben. Suburbanisierung wurde zur Regel. Es hat gedauert, bis ein neues Denken greifbar wurde.

Was hat eine Veränderung hin zu einer lebendigeren Stadt ausgelöst?

Es begann nicht in den Amtsstuben, sondern auf den Straßen. Die Menschen begannen, ihre Stadt zurückzufordern. Sie organisierten Märkte, bepflanzten Gemeinschaftsgärten, belebten verlassene Gebäude. Dieses Engagement von unten wurde zum Startschuss für eine neue Stadtentwicklung. Heute hat Bratislava eine politische Führung mit einer klaren Vision, und das MIB ist das Werkzeug, um diese umzusetzen. Unser Team von knapp 70 Expert: innen entwickelt Designleitfäden, Strategien und konkrete Vorschläge, die man schon heute in den Straßenzügen und öffentlichen Plätzen der Stadt sehen kann. Immer mit Blick auf Inklusion, Bewegung, Zugänglichkeit und Qualität.

Ist es gewagt, die öffentlichen Räume von Bratislava und London zu vergleichen, wo Sie lange professionell gearbeitet haben?

Die beiden Städte könnten kaum unterschiedlicher sein, doch sie tragen die gleichen Narben. Beide sind geprägt von einem Urbanismus, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand – einer Zeit, in der man für Autos plante, nicht für Menschen. Heute stehen sie vor denselben Fragen: Wie gestalten wir den öffentlichen Raum, wie begegnen wir der Klimakrise, wie schaffen wir erschwinglichen Wohnraum? London ist auf diesem Weg vielleicht weiter, aber Bratislava hat eine andere Energie. Der Aufbruch ist da.

Können Sie an spezifische Beispiele denken?

Ein sehr starkes Beispiel ist die Revitalisierung der Freiheitstraße. Jahrzehntelang war sie ein vergessenes Stück Stadt, heute ist sie ein lebendiger Ort der Begegnung. Hier finden Konzerte statt, Demonstrationen, Spaziergänge. Und dazwischen: Alltag. Menschen treffen sich, Kinder spielen, Hunde laufen frei. Die Brunnen, die früher nur Kulisse waren, sind jetzt Teil des Lebens. Sie kühlen, laden zum Spielen ein. Es erinnert an die Transformation des Trafalgar Square in London, der ebenfalls aus einem reinen Verkehrsknoten in eine begehbare Fläche verwandelt wurde. Wandel braucht Geduld, aber er ist möglich.

Welche Rolle spielen Kinder im öffentlichen Raum? Werden sie in der Stadtplanung vergessen?

Kinder haben Rechte – auch in der Stadt. Rechte auf Spiel, auf Versammlung, auf Mitgestaltung. Doch weil sie nicht wählen dürfen, werden ihre Bedürfnisse oft übergangen. Ähnlich war es lange mit Frauen in der Stadtplanung: Ihre Perspektive fand wenig Beachtung. Doch das ändert sich. Die geschlechtersensible Planung rückt in den Vordergrund. Und mit ihr die Erkenntnis, dass kinderfreundliche Städte für alle besser sind. Es geht nicht nur um Sicherheit, sondern um Teilhabe und Würde.

In welchen Ländern wurden die Bedürfnisse von Kindern in öffentlichen Räumen länger beachtet, wie vergleicht sich Bratislava und welchen Einfluss hat das auf die Lebensqualität?

Länder wie die Niederlande oder auch Wien haben schon in den 1970ern damit begonnen, Räume aus der Sicht von Kindern zu denken. Das Ergebnis: Städte mit hoher Lebensqualität für alle. In Bratislava setzen wir mit dem Programm "City for Children" an: Wir gestalten Schulumgebungen sicherer, geben Kindern mehr Platz zum Spielen und beteiligen sie aktiv am Dialog über ihre Stadt. Bis Ende nächsten Jahres sollen fast 15.000 Kinder davon profitieren. Doch es geht nicht nur um bauliche Veränderungen. Es geht um eine Haltung. Um ein Verständnis dafür, dass Kinder nicht irgendwann zur Stadt gehören – sondern schon heute.

Das Thema in diesem Jahr beim Summit Start with Children, der gemeinsam von MIB und der Stadt Bratislava organisiert wird, stellt die Frage: Wie können wir lebendige Nachbarschaften und Gemeinschaften schaffen? Welche Redner können wir beim Summit erwarten?

Der Summit am 13. und 14. Mai bringt internationale Stimmen zusammen, die sich für die Stadt von morgen einsetzen. Carlos Moreno, bekannt für das Konzept der 15-Minuten-Stadt, Eva Kail, die Wien durch gendersensible Planung mitgeprägt hat, Dinah Bornat mit ihrem Fokus auf kinderfreundliches Wohnen, Jonny Anstead aus Cambridge mit dem Projekt Marmalade Lane – und Adam Gebrian, der den Blick eines Kindes aus Barcelona mit nach Bratislava bringt. Gemeinsam mit vielen weiteren Redner: innen diskutieren sie, wie aus Ideen Orte werden.

Eine weitere interessante Konferenz, die unmittelbar nach dem Summit Start with Children folgt, ist PULSE in Ostrava, Tschechische Republik, mit dem Thema Restart. Matús Vallo, Architekt und Bürgermeister von Bratislava, wird einer der Hauptredner beider Konferenzen sein. Die Welt verändert sich unaufhörlich – wirtschaftlich, sozial, ökologisch – denken Sie, dass die Bereiche Design, Architektur und Stadtplanung mit diesen Veränderungen Schritt halten sollten?

Absolut. Design und Architektur sind nicht Beiwerk – sie sind Rahmen und Fundament unseres Alltags. In einer Welt, die sich schnell wandelt, sind es die Städte, die Antworten geben müssen. 70 Prozent der Weltbevölkerung werden 2050 in urbanen Räumen leben. Die Art, wie wir diese gestalten, wird über unser Zusammenleben entscheiden. Architekt: innen, Planer: innen und Gestalter: innen können diesen Wandel mitprägen – vorausgesetzt, sie werden von der Politik ernst genommen und einbezogen. Immer mehr Städte erkennen das – und holen sich wieder Stadtarchitekt: innen an Bord.

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